Heidi Willberg

Leidenschaftlicher Farbenschwall

Artikel in der Tageszeitung „Kymen Sanomat“ vom 11. September 2008
verfaßt von Leena-Riitta Salminen

Die Gemälde stellen, glücklicherweise, sowohl den Blutdruck als auch die Gemütsruhe auf die Probe.

BILDERKUNST

Gemälde von Heidi Willberg in der Galerie Nikolai bis zum 20.9.2008.

Die in Deutschland wohnhafte Heidi Willberg hat den Ausstellungsraum der Galerie Nikolai in eine Energieaufladezentrale verwandelt, in der sich die großen Gemälde dem Betrachter völlig nähern. Warum Bilder nicht auch so aufhängen, ohne auf Höflichkeit ausgerichteten Abstand? Einen besonders langen Besuch ertragen aber für Farben empfindliche Seelen und Körper nicht, ohne von Turbulenzen ergriffen zu werden.

Die groß formatigen, in rosarot, anilin und scharfem grundrot gekleideten Gemälde pulsieren, entfernen sich und werfen sich dem Betrachter in die Augen, ohne um Entschuldigung zu bitten. Ihre Glut stammt nicht aus unserer ernsthaften und rationellen Welt, sondern quillt aus einem inneren Aufruhr. Der wild gewordene Tanz der Farbflächen hält sich nicht an Normen, sondern wallt nach eigenen Gesetzen, als würde der Boden unter den nackten Füßen brennen. 

Mitten im Farbgespritze tastet die Hand nach dem nächsten Ziel. Als Führung bieten sich die Kreide, der Pinsel oder der Bleistift an, in deren Gefolge es nach Garten, nach dem Licht eines Hitzetages und manchmal auch nach kühlendem Schatten riecht. Die Künstlerin erzählt, dass sie mehrere Werke gleichzeitig malt. Zur Natur von sog. action painting –Prozessen gehört eine schnelle, heftige Arbeitsweise mit dem ganzen Körper.

Als Gegenkraft zu den saftig rosaroten und versenkenden roten Farben brennen die Grüntöne und oft auch flimmernder Türkis. Von ihrem Stil her sind die Gemälde am leichtesten als abstrakter Expressionismus einzustufen, obwohl sie stellenweise in die urständige Art brut, in groben, mehrlagigen und primitiven Ausdruck stechen. In der Farbenwelt findet sich auch ein Widerhall von den Werbeeffekten der Pop art, von deren ins Extreme gespannten Intensität, aber grell oder schmeichlerisch sind die Farbtöne nicht. Auch die wildesten Flammen ordnen sich als Bestandteile dem Ganzen unter.

Heidi Willberg beherrscht ihr Orchester, läßt die eine Farbe als Sieger triumphieren und die anderen Farbtöne warten, bis sie an der Reihe sind. Die dunklen Farbtöne verdunkeln sich neben den hellen und die hellen Farbtöne ihrerseits werden in der Umarmung der dickeren und schwereren Farbtöne empfindsamer. Rhythmisch betrachtet sind die Gemälde wie Improvisationen in der modernen Musik.

Die Namen der Werke deuten auf den Sommer, Blumen und Musik. Auch in dieser Ausstellung fehlen die Signaturen und es könnte auch sein, dass die Werke keinen Namen brauchten. Der Betrachter antwortet auf den Farbenschwall mit seiner eigenen Psyche. Ist es überhaupt nötig, diese Erfahrung in etwas Konkretem zu verankern? Es reicht, sich der paradiesischen Pracht zu ergeben. Eine sich leicht anbietende Alternative ist es, nach dem heurigen schmuddeligen Sommer in Finnland aus den Gemälden Licht und Sonne aufzunehmen und diese in sich zu verschlingen. Da bietet sich Kunstverständnis in vollem Umfang an! Laßt euch diese Chance nicht entgehen!        

Übersetzung: Michael Baumberger
Sprachbüro Alfa KG, Kotka